Der 8-gliedrige Pfad des Yoga
- dominiquebaumann
- 25. Nov.
- 3 Min. Lesezeit

Yoga ist nicht nur eine körperliche Praxis. Es ist eine Philosophie, eine Lebensart. Eine Anleitung, die uns helfen kann, unser wahres Wesen zu erkennen und den Kreislauf der Inkarnation zu durchbrechen. In den Yoga Sutras von Patanjali wird die Yoga Praxis in einen 8-gliedrigen Pfad (Ashtanga) unterteilt, dessen Ziel die Erlangung innerer Freiheit ist. Man kann die einzelnen Glieder auch als Stufen betrachten. Bevor man eine Stufe höher gelangt, sollte die Vorangehende gemeistert worden sein. Dies war zumindest die ursprüngliche Idee. Doch was verstehen wir unter Meisterung? Ist es überhaupt möglich, in einem durchgetakteten Alltag die verschiedenen Ebenen des Lebens zu meistern? Nehmen wir uns überhaupt die Zeit, uns selbst, unseren Platz in der Welt, unseren Körper und unsere Energie bewusst wahrzunehmen? Sie wichtig zu nehmen? Oder ist die innere Freiheit denjenigen vorbehalten, die sich aus der Gesellschaft zurückziehen und ihr Leben höheren Zielen verschreiben? Für mich sind die einzelnen Glieder wie ein Kreis. Ohne Anfang, ohne Ende. Das Ziel, das Einssein, ist gleichermassen der Ursprung. Es ist unser Urzustand. Der Körper, wie wichtig er auch erscheinen mag, nichts weiter als ein vorübergehender Zustand. Die Essenz in uns ist Energie. Unser Körper ist beseelte Materie. Die Umwelt, wie wir sie wahrnehmen, Materie. Das Leben, Energie. Wir bewegen uns vom universellen zum individuellen, vom Ganzen zum Einzelnen, vom Groben zum Feinen, von der Energie über die Materie zurück zur Energie. Aber lass uns nun die einzelnen Teile dieses alten Systems betrachten:
Das 1. Glied sind die Yama, die den Umgang mit der Umwelt beschreiben. Wie sollen wir leben, ohne der Natur und den anderen Lebewesen zu schaden? Wie können wir ein Teil des Ganzen sein, und gleichzeitig für uns als Mensch einstehen? Wie können wir zur Ruhe kommen, ohne mit unseren Gedanken ständig in der Aussenwelt zu sein?
Im 2. Glied, bei den Niyama, geht es um den Umgang mit sich selbst. Was brauche ich, um mein höchstes Potenzial zum Ausdruck zu bringen? Und hier ist keineswegs die Rede von Macht und Leistung. Es geht darum, sich selbst zu erkennen. Seinen Körper und seine Essenz zu ehren und zu nähren.
Das 3. Glied ist das, was im Westen landläufig unter Yoga verstanden wird: Der Umgang mit dem Körper. Die speziellen Übungen, die Asanas, sind jedoch viel mehr als Gymnastik oder ein Work-out. Ja, sie können anstrengend sein und manche fordern ein hohes Mass an Flexibilität. Doch es geht nicht darum, wer die Übung am längsten halten, oder sich am meisten verrenken kann. Überhaupt geht es nicht darum, sich mit anderen zu vergleichen. Jeder Körper ist anders und es ist tatsächlich so, dass wir nicht den Körper benutzen, um ins Asana zu kommen, sondern das Asana, um in den Körper zu kommen. In die Selbstwahrnehmung. Vom Tun ins Sein.
Im 4. Glied geht es um den Umgang mit dem Atem. Pranajama. Hier findet der Übergang vom Grobstofflichen zum Feinstofflichen statt. Es geht um unsere Lebensenergie. Die Atmung ist für uns lebensnotwendig, und gleichzeitig selbstverständlich. Wir atmen, ohne uns dessen bewusst zu sein. Ohne zu erahnen, wie kraftvoll eine tiefe, gezielte Atmung auf unser ganzes Wesen einwirkt.
Im 5. Glied, Pratjahara, geht es um den Umgang mit den Sinnen. Gerade in der heutigen Zeit der konstanten Reizüberflutung ist diese Stufe wichtiger denn je. Sind die Sinne überfordert, ist es unmöglich, sich zu fokussieren. Der Geist befindet sich in einer konstanten Ablenkung, was sich auch in körperlicher Unruhe äussert und in der Unfähigkeit, das Gedankenkarussell zum Stillstand zu bringen. Erst wenn alle äusseren Einflüsse und inneren Störfaktoren beseitigt sind, ist Konzentration möglich. Dies ist das 6. Glied, Dharana. Durch die Fokussierung auf den bewussten Atem beruhigt sich das Nervensystem. Das Blut und die Energie kann frei zirkulieren, sodass wir in unsere volle Kraft kommen. Der Nebel der Verwirrung lichtet sich und wir erlangen Klarheit darüber, wer wir wirklich sind. Unsere Aufmerksamkeit verweilt nicht länger im Aussen, sondern richtet sich nun nach Innen. Vom Individuellen zurück zum Universellen.
Im 7. Glied tauchen wir eine Stufe tiefer, in die Meditation. Dhyana. Der Atem fliesst frei, während unser Körper vollkommen entspannt ist. Der Geist ist frei von Gedanken und wir beginnen allmählich damit, uns von unserer körperlichen Existenz zu lösen. In diesem Zustand gibt es weder Raum noch Zeit und unsere Essenz nähert sich wieder ihrem Urzustand des unbegrenzten seins. Reiner Energie.
Wer diese Stufe meistert, und in eine vollkommene Versenkung übergeht, erlangt laut Patanjali die höchste Stufe des Yoga Weges, die höchste Stufe des seins: Samadi. Die innere Freiheit, in welcher der begrenzende Raum des Körpers, wie auch die Struktur des Egos überwunden sind. Dies ist die wahre Meisterschaft.
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